Allergie-Diagnostik in jedem Alter
Interview mit Dr. med. Frank Friedrichs, Kinderarzt und Allergologe aus Aachen
Deutsches Grünes Kreuz (DGK):Allergien entwickeln sich zunehmend zu einer Volkskrankheit. Wie hoch ist hierzulande der Anteil der Allergiker in der Bevölkerung?
Dr. Frank Friedrichs: Wir können davon ausgehen, dass jedes dritte Kind mittlerweile positive Allergietests hat, und da man Allergien bzw. die Sensibilisierung für ein Allergen (allergieauslösende Substanz) normalerweise im Laufe des Lebens nicht verliert, steigt die Zahl der Erwachsenen mit allergischen Erkrankungen immer weiter an.
DGK: Lässt sich vorhersehen, wie hoch das Allergie-Risiko eines Kindes ist?
Dr. Frank Friedrichs: Die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von Allergien hängt von vier Faktoren ab. Von der erblichen Veranlagung, von der Potenz des Allergens, d. h. das Katzenallergen ist für uns ein problematischeres Allergen als das Wellensittichallergen. Es werden mehr Menschen und in kürzerer Zeit gegen Katzen allergisch als gegen andere Tiere. Der dritte Faktor ist die Dauer des Kontakts mit dem potenten Allergen. Denn es macht einen Unterschied, ob ich einmal im Jahr bei meiner Tante zu Besuch bin, die eine Katze hat, oder Zuhause zwei Katzen gehalten werden. Und der vierte Punkt sind die Begleitfaktoren; da gehört alles dazu, was man als "westliche" Lebensbedingungen bezeichnet - ohne dass wir so recht wissen, was genau die Allergie auslöst.
DGK: Ab welchem Alter ist ein Allergietest sinnvoll?
Dr. Frank Friedrichs: Grundsätzlich ist es so, dass die oft von Ärzten geäußerte Behauptung, man könnte keine Allergietests unter dem Alter von zwei Jahren oder unter dem Alter von vier Jahren durchführen, nicht haltbar ist. Es gibt durchaus Kinder, die im Alter von drei Monaten oder sechs Monaten bereits positive Allergietests auf bestimmte Nahrungsmittel haben, und es gibt eine Reihe von Kindern, die im Alter von einem Jahr bereits positive Allergietests auf Hausstaubmilben oder Gräserpollen haben. So dass also eine Allergiediagnostik, wenn sie denn vernünftig gemacht wird, in jedem Alter durchführbar und auch sinnvoll ist.
DGK: Es gibt verschiedene Verfahren zur Allergie-Diagnose. Welches wird bei der Eingangsuntersuchung eingesetzt?
Dr. Frank Friedrichs: Welches Verfahren man anwendet, ist nicht zwingend vorgeschrieben. Es gibt viele Kinderärzte, die sagen, dass unter vier bis fünf Jahren die Blutabnahme mit einem Piks für ein Kind weniger traumatisierend ist als der Allergietest auf dem Unterarm mit zehn oder zwölf Allergenen; dem würde ich mich auch anschließen. Das heißt, wir führen in der Regel, wenn es sich um eine Eingangsuntersuchung handelt, die Blutuntersuchung durch.
DGK: Wie wichtig ist die rechtzeitige Diagnose für die Allergiebehandlung?
Dr. Frank Friedrichs: Angesichts der Tatsache, dass die meisten Kinder nicht nur eine, sondern im Laufe ihres Lebens mehrere allergische Erkrankungen durchmachen und wir einen Teil dieser Neusensibilisierungen durch Allergenvermeidung sowie durch Hyposensibilisierung verhindern können, ist es sinnvoll, möglichst rechtzeitig eine Allergie nachzuweisen.
DGK: Sind Allergien heilbar?
Dr. Frank Friedrichs: Ja, allergische Erkrankungen sind heilbar, aber das bedeutet nicht, dass Sensibilisierungen verschwinden. Längst nicht jedes Kind, das im Schulalter unter allergischem Asthma leidet, wird auch ein Erwachsener mit Asthma. Ein Teil dieser Kinder und Jugendlichen kann seine Asthma-Symptome unter einer entsprechenden Therapie und Allergenvermeidung, vielleicht auch mit Hilfe der Hyposensibilisierung, wieder verlieren.
Dr. Frank Friedrichs ist Kinderarzt und Allergologe, außerdem Vorstandsmitglied von pina, Präventions- und Informationsnetzwerk Allergie/Asthma e.V., und der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin
(aus: Sonderpressedienst „Der Allergie-Karriere vorbeugen - aber wie?“, April 2001)